Beispiellösungen zu Aufgabenblatt 28

aktualisiert: 11. August 2003

Aufgabe 1


Wir betrachten zwei verschiedene Punktmengen in der (x, y)-Ebene: Zum einen die Menge aller Punkte, die die Gleichung x2 + y2 = 1 erfüllen, zum anderen diejenigen Punkte, die die Gleichung y = x2 + t mit einem frei bestimmbaren Parameter t erfüllen.

Für welche Werte von t haben die beiden Mengen genau einen Punkt gemeinsam?


Rechnerische Lösung:


Da die x-Koordinate der Punkte in beiden Gleichungen nur zum Quadrat vorkommt, gilt für jeden Punkt (x, y), der im Schnitt der beiden Mengen liegt, dass auch der Punkt (- x, y) im Schnitt liegt. Sollen also beide Mengen genau einen Punkt gemeinsam haben, so muss für diesen Punkt x = 0 gelten. Damit gilt für die y-Koordinate: y2 = 1 und y = t.
Somit gilt: t2 = 1, d. h. t = 1 oder t = - 1.
Die einzigen möglichen Werte von t sind also 1 und -1.

Berechnen wir für diese beiden Werte alle Punkte, die die zwei Mengen gemeinsam haben.
Fall t = 1: Aus x2 + y2 = 1 und y = x2 + 1 folgt y - 1 + y2 = 1.

$\displaystyle \Rightarrow$   y2 + y - 2 = 0  
$\displaystyle \Rightarrow$   y1, 2 = - $\displaystyle {\frac{{1}}{{2}}}$±$\displaystyle \sqrt{{\frac{1}{4}+2}}$  
$\displaystyle \Rightarrow$   y1 = 1    und    y2 = - 2  

Für y1 = 1 erhält man durch Einsetzen in die erste Gleichung wie gewünscht x = 0 und eine Probe zeigt, dass der Punkt (0, 1) wirklich beide Gleichungen erfüllt. Für y2 = - 2 erhält man x2 = - 3, d. h. keine Lösung.

Somit ist t = 1 ein gesuchter Wert.

Fall t = - 1: Aus x2 + y2 = 1 und y = x2 - 1 folgt y + 1 + y2 = 1.

$\displaystyle \Rightarrow$   y2 + y = 0  
$\displaystyle \Rightarrow$   y(y + 1) = 0  
$\displaystyle \Rightarrow$   y1 = 0    und    y2 = - 1  

Für y1 = 0 erhält man nun x2 = 1, d. h. x = 1 oder x = - 1. Eine Probe zeigt, dass die beiden Punkte (- 1, 0) und (1, 0) tatsächlich beide Bedingungen erfüllen. Somit liegen schon zwei Punkte im Schnitt der beiden Mengen und t = - 1 ist somit keiner der gesuchten Werte.

Also ist t = 1 der einzige Wert, bei dem die beiden Mengen genau einen Punkt gemeinsam haben.


Geometrische Lösung:


Die Gleichung x2 + y2 = 1 beschreibt einen Kreis mit Radius 1 um den Ursprung (0, 0) der Ebene; y = x2 + t ist eine um t auf der y-Achse verschobene (nach oben geöffnete) Normalparabel. Auch hier sieht man sofort, dass beide Figuren symmetrisch zur y-Achse sind (d. h. im Vergleich zu ersten Lösung: mit (x, y) ist auch (- x, y) Schnittpunkt). Ein einfacher Schnittpunkt kann also nur auf der y-Achse (s. o. x = 0) liegen und muss somit der Scheitelpunkt (0, t) der Parabel sein. Auch hier bleiben nur die beiden Schnittpunkte des Kreises mit der y-Achse, nämlich (0, 1) und (0, - 1), zu betrachten.

Für t = 1 ist sofort ersichtlich, dass es keinen weiteren Schnittpunkt geben kann, denn die anderen Punkte der Parabel liegen alle oberhalb dieses Schnittpunktes, die des Kreises unterhalb.

Für t = - 1 müssen wir ein wenig mehr überlegen. Anschaulich sieht man, dass der Kreis in seinem ,,Südpol`` flacher als die Parabel ist, so dass die Parabel sich zunächst im Inneren des Kreises bewegt und es noch einen weiteren Schnittpunkt geben muss.

Mathematisch korrekter ist aber sicherlich, weitere Schnittpunkte (die sich von einer Zeichnung gut erraten lassen), nämlich (- 1, 0) und (1, 0), anzugeben.

\includegraphics[width=10cm]{kreisparabel.eps}

Also ist t = 1 der einzige Wert, bei dem die beiden Mengen genau einen Punkt gemeinsam haben.



Aufgabe 2


Prinz Siegfried soll zwei Drachen töten, um die schöne Prinzessin zu bekommen.
Beide Drachen haben 1000 Köpfe. Siegfried kann ihnen mit einem Hieb seines Schwertes Excalibur wahlweise genau 13, 17, 20 oder 5 Köpfe abschlagen, woraufhin aber sofort 22, 2, 14 bzw. 17 Köpfe nachwachsen (bei 13 abgeschlagenen wachsen also 22 nach, bei 17 abgeschlagenen wachsen 2 nach usw.).
Es ist überliefert, dass der eine Drache genau dann stirbt, wenn er (nach dem Nachwachsen) genau 333 Köpfe hat; der andere stirbt, wenn ihm alle Köpfe abgeschlagen wurden (in diesem Fall wächst keiner mehr nach).

Welche(n) der Drachen kann Siegfried jemals töten, und wenn ja, wie, bzw. wenn nein, warum nicht?


Lösung:


Siegfried wird die Prinzessin nicht bekommen, denn er kann nur den zweiten Drachen töten. Beim ersten müht er sich vergeblich.
Um dies einzusehen, überlegt man sich zunächst, wie sich die Anzahl der Köpfe nach einem Schlag und dem anschließenden Nachwachsen ändert. Da bei 13 abgeschlagenen Köpfen 22 nachwachsen, ändert sich die Kopfzahl hierbei insgesamt um +9, genauso sieht man, dass ein Abschlagen von 17, 20 bzw. 5 Köpfen zu einer Nettoänderung der Kopfzahl von -15, -6 und +12 führt.
Die wichtige Beobachtung ist nun, dass all diese Nettoänderungen durch 3 teilbar sind. Die Gesamtzahl der Köpfe ändert sich also stets um Vielfache von 3 und daher bleibt der Rest, den die Kopfzahl bei Division durch 3 lässt, unverändert. Zu Beginn hat der Drachen 1000 Köpfe, was bei Division durch 3 den Rest 1 lässt. Also können nie 333 Köpfe erreicht werden, weil 333 durch 3 teilbar ist, also den Rest 0 lässt.
Der zweite Drachen hat nicht soviel Glück. Ihm kann Siegfried zunächst 47-mal 20 Köpfe abschlagen, worauf jeweils wieder 14 nachwachsen. Die Gesamtzahl an Köpfen beträgt danach 1000 - 47 . 20 + 47 . 14 = 718. Danach kann er ihm wieder 47-mal 17 Köpfe abschlagen, jedesmal wachsen dem Drachen dann sofort 2 Köpfe nach und es verbleiben ihm 718 - 47 . 17 + 47 . 2 = 13 Köpfe. Die letzten 13 Köpfe entfernt Siegfried dann mit einem Hieb.


Zur vollständigen Lösung muss noch geprüft werden, ob Siegfried jeden Hieb auch ausführen kann (bei einer rechnerischen Lösung, die nur mit den Netto-Änderungen arbeitet, kann es passieren, dass Siegfried z. B. 20 Köpfe abschlagen soll, obwohl nur noch 19 vorhanden sind). Dies macht hier jedoch keine Probleme: Im ersten Durchgang werden 47 . 20 = 940, also insgesamt weniger als 1000 Köpfe abgeschlagen. Vor dem vorletzten Hieb muss der Drache noch 13 + (17 - 2) = 28 Köpfe haben. Somit hat Siegfried noch reichliche Auswahlmöglichkeiten, 17 Köpfe zu entfernen, erst recht bei den anderen 17er-Hieben zuvor.



Aufgabe 3


Yvonne wirft sechsmal eine 1-Euro-Münze und Zacharias wirft dieselbe Münze siebenmal.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Zacharias öfter ,, Zahl`` wirft als Yvonne?


Lösung:



Der einfachste Ansatz wäre sicherlich, die Möglichkeiten zu zählen, die zum Gewinn von Zacharias führen, und durch die Anzahl aller Wurfmöglichkeiten zu teilen. Je nach Methode kann dies aber schnell unübersichtlich werden. Eleganter finden wir die folgende Argumentation:


Um die gesuchte Wahrscheinlichkeit zu berechnen, betrachten wir zusätzlich auch den Fall, dass Zacharias öfter als Yvonne ,,Adler`` wirft.

Da Zahl und Adler gleich häufig sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Zacharias öfter als Yvonne Zahl wirft, genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass er öfter als Yvonne Adler wirft.

Wie wir gleich zeigen werden, sind diese beiden Ereignisse komplementär zueinander (d. h. der eine Fall tritt genau dann ein, wenn es der andere nicht tut). Damit ist die Wahrscheinlichkeit jeweils $ {\frac{{1}}{{2}}}$ .


Da Zacharias öfter als Yvonne die Münze wirft, muss er eine der beiden Münzseiten (Zahl oder Adler) auch öfter erhalten. Da er aber nur einmal mehr wirft, kann nur eine der beiden Seiten bei ihm öfter als bei Yvonne vorkommen. Es tritt also tatsächlich genau einer der beiden Fälle (entweder Zahl oder Adler öfter) ein.



Aufgabe 4


Eine Einbahnstraße wird von einer nicht abbrechenden Folge von Autos befahren. Die Autos haben jeweils die Breite 2 m und die Länge 5 m und fahren im Normalverkehr mit der Geschwindigkeit 10 m/s und mit einem Abstand von jeweils 10 m zueinander, im Berufsverkehr nur mit der Geschwindigkeit 1, 5 m/s und mit einem Abstand von 5 m zueinander am rechten Straßenrand.
Peter überquert die Straße senkrecht mit der Geschwindigkeit 2 m/s, ohne auf den Verkehr zu achten.

  1. Wie groß ist in beiden Fällen die Wahrscheinlichkeit dafür, daß Peter die Straße unverletzt überquert?
  2. Kann Peter diese Wahrscheinlichkeit vergrößern (und wenn ja, um wie viel), indem er in anderer als senkrechter Richtung (aber weiterhin geradlinig) die Straße überquert?

(Was hier beschrieben wird, ist natürlich ganz und gar nicht im Sinne eines vernünftigen Verhaltens im Verkehr. Daher bitte ,,rein mathematisch`` betrachten und nicht selbst ausprobieren!)


Lösung:

  1. Peter braucht genau eine Sekunde, um den 2 m breiten Gefahrenbereich mit seiner Geschwindigkeit von 2 m/s zu durchqueren. Die effektive Breite der Lücke zwischen den Autos, d. h. die Breite des Bereiches, in dem er bei Eintritt in den Fahrbahnbereich die Straße heil überquert, berechnet sich aus der tatsächlichen Breite (10 m bzw. 5 m) minus der Strecke, die die Autos in einer Sekunde zurücklegen. Denn Peter muss zum einen natürlich die Straße betreten, wenn gerade kein Auto vor seiner Nase ist, und er muss nach links noch so viel Platz haben, wie ein Auto in der Zeit zurücklegt, die er zum Überqueren braucht, sonst wird ihn das nächste Auto erfassen.

    Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich dann aus dem Quotienten der effektiven Breite, sofern diese größer gleich null ist, und der Länge eines ,,repräsentativen Bereichs``, d. h. der Länge von einem Auto plus einer Lücke. Ist die effektive Breite kleiner als null, ist die Wahrscheinlichkeit offensichtlich null.

    Das ergibt für den Normalverkehr eine Wahrscheinlichkeit von $ {\frac{{10-10\cdot 1}}{{10+5}}}$ = 0 und für den Berufsverkehr von $ {\frac{{5-1,5
\cdot 1}}{{5+5}}}$ = 0, 35.

  2. Wir können den Fall ignorieren, dass Peter den Autos entgegenläuft - seine Chancen würden nur schlechter werden. Wir betrachten seine Geschwindigkeit in die beiden Komponenten vs senkrecht zur und vp parallel zur Fahrtrichtung aufgeteilt.


    \includegraphics[width=6cm]{vgeteilt.eps}

    Es gilt vs2 + vp2 = v2 = 4. Peter braucht jetzt t = $ {\frac{{2}}{{v_s}}}$ Sekunden, um die Straße zu überqueren. Da er aber ein wenig nach rechts geht, hat die effektive Breite der Lücke den Wert

        lLücke - t . vAuto + t . vp  
      = lLücke - $\displaystyle {\frac{{2}}{{\sqrt{4-v_p^2}}}}$ . vAuto + $\displaystyle {\frac{{2}}{{\sqrt{4-v_p^2}}}}$ . vp,  

    sofern dies nicht größer als die Breite der Lücke lLücke wird - das hieße nämlich, dass Peter dann von hinten in ein Auto hineinrennt.

    Für den Normalverkehr ergibt sich als optimaler Wert (aus der Bestimmung der Nullstelle der Ableitung) vp = 0, 4 (mit $ \varphi$ $ \approx$ 11, 5o) und damit eine Wahrscheinlichkeit von

    $\displaystyle {\frac{{10 - \frac{2}{\sqrt{3,84}}\cdot 10 + \frac{2}{\sqrt{3,84}}\cdot 0,4}}{{15}}}$ $\displaystyle \approx$ 0, 0135.

    Im Berufsverkehr geht Peter sogar schneller als die Autos. Damit kann er vp = vAuto erreichen (mit $ \varphi$ $ \approx$ 48, 6o), so dass er die volle Lücke zwischen den Autos ausnutzen kann. Hier ist die Wahrscheinlichkeit also $ {\frac{{5}}{{5+5}}}$ = $ {\frac{1}{2}}$.


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