Beispiellösungen zu Aufgabenblatt 19

aktualisiert: 28. Juni 2002

Aufgabe 1


a) In dem ,,Buch der Wahrheit`` stehen merkwürdige Dinge:
Auf der ersten Seite steht: ,,In diesem Buch steht genau eine falsche Aussage.``
Auf der zweiten Seite steht: ,,In diesem Buch stehen genau zwei falsche Aussagen.``
Und so weiter, bis schließlich auf Seite 2002, der letzten Seite, steht: ,,In diesem Buch stehen genau 2002 falsche Aussagen.``
Wie viele falsche Aussagen stehen tatsächlich in diesem Buch, und wo stehen sie gegebenenfalls?

b) Das ,,Buch der Lügen`` ist etwas allgemeiner gefasst:
Auf der ersten Seite steht: ,,In diesem Buch steht mindestens eine falsche Aussage.``
Auf der zweiten Seite steht: ,,In diesem Buch stehen mindestens zwei falsche Aussagen.``
Und so weiter, bis schließlich auf Seite 2002, ebenfalls der letzten Seite, steht: ,,In diesem Buch stehen mindestens 2002 falsche Aussagen.``
Wie viele falsche Aussagen stehen nun in diesem Buch, und wo stehen sie gegebenenfalls?


Lösung:


a) Können im ,,Buch der Wahrheit`` zwei oder mehr richtige Aussagen stehen?
Das würde dann bedeuten, dass sowohl eine Aussage ,,In diesem Buch stehen genau x falsche Aussagen`` als auch eine andere Aussage ,,In diesem Buch stehen genau y falsche Aussagen`` gleichzeitig wahr sein müssten. Das ist aber wegen des Wörtchens ,,genau`` ein Widerspruch.
Ist andererseits überhaupt keine Aussage im Buch wahr, dann müssten alle 2002 Aussagen falsch sein. Dann wäre aber doch eine Aussage wahr, nämlich die auf Seite 2002, also führt dies ebenfalls zum Widerspruch.
Es verbleibt als letzte und einzige Möglichkeit, dass genau eine Aussage wahr ist, und die anderen 2001 falsch. Dies führt zu keinem Widerspruch: Die wahre Aussage ist die auf Seite 2001, alle anderen 2001 Aussagen sind falsch.

b) Hier kommt es auf das Wörtchen ,,mindestens`` an. Wenn die Aussage auf einer bestimmten Seite richtig ist (z. B. Seite 10), dann sind die Aussagen auf allen vorhergehenden Seiten ebenfalls korrekt (in diesem Fall dann die Seiten 1 bis 9). Es gibt also in diesem Buch höchstens eine ,,magische`` Seite: Die Aussagen auf allen Seiten davor und auf der Seite selbst sind richtig, alle Aussagen danach sind falsch. Die Seitennummer dieser magischen Seite entspricht somit der Anzahl der auf diese Seite folgenden Seiten des Buches, diese Seitennummer ist also gerade die Hälfte der Gesamtseitenzahl. Folglich hat die magische Seite die Seitennummer 1001. Genau 1001 Aussagen des Buches sind falsch, dies sind alle Aussagen der folgenden 1001 Seiten. Die Aussagen der ersten 1001 Seiten sind somit alle wahr.


Bemerkung: Es kann korrekt nur von höchstens einer magischen Seite gesprochen werden, weil die Aufgabe für ein Buch mit ungerader Seitenzahl unlösbar ist: Die Aussage auf der mittleren Seite kann weder wahr noch falsch sein.



Aufgabe 2


Wie viele Möglichkeiten gibt es, vier Türme so auf ein Schachbrett zu stellen, dass keiner einen anderen bedroht?


Lösung: Zwei Türme bedrohen sich bekanntlich genau dann, wenn sie in einer gemeinsamen Zeile oder einer gemeinsamen Spalte des Schachbrettes stehen.
Um vier Türme ohne gegenseitige Bedrohung zu platzieren, muss man also zunächst vier verschiedene Zeilen und unabhängig davon vier verschiedene Spalten aus den jeweils acht zur Verfügung stehenden auswählen. Hierfür hat man je $\left({8}\atop{4}\right)=\frac{8\cdot 7\cdot 6\cdot 5}{4\cdot 3\cdot2\cdot 1}$ Möglichkeiten1.
Schließlich darf man in jeder der vier ausgewählten Zeilen die Spalte wählen, in die der Turm soll. Für die erste Zeile hat man vier Spalten zur Verfügung, für die zweite nur noch drei, für die dritte noch zwei und die letzte Spalte steht dann fest. Das sind noch einmal 4 . 3 . 2 . 1 Möglichkeiten, die Türme in die gewählten Zeilen und Spalten zu stellen.
Insgesamt ergeben sich also

$\displaystyle {\left(8 \atop 4\right)}^{2}_{}$ . 4 . 3 . 2 . 1 = $\displaystyle {\frac{{8^2\cdot 7^2\cdot 6^2\cdot 5^2}}{{4\cdot 3\cdot 2\cdot 1}}}$ = 117600    

Möglichkeiten.



Alternativ kann man auch so zählen: für den ersten Turm hat man 64 mögliche Felder. Da er genau 15 Felder bedroht (inklusive dem eigenen) bleiben für den zweiten Turm noch 49 mögliche Felder. Der zweite Turm bedroht genau 13 weitere Felder, so dass man für den dritten Turm noch 36 Felder zur Verfügung hat und schließlich für den letzten Turm noch 25.
Da es auf die Reihenfolge der Türme nicht ankommt, erhält man jede Stellung hierbei 4 . 3 . 2 . 1 mal, so dass sich auch hier wieder 117600 Möglichkeiten ergeben.



Aufgabe 3


Um ein konvexes Polygon, das einen Umfang U hat, wird ein Rahmen gezeichnet, dessen Außenlinien in einem Abstand b parallel zu den Polygonseiten verlaufen (vgl. Zeichnung).
Beweise, dass die Fläche des Rahmens größer als b(U + $ \pi$b) ist.

\includegraphics[width=5cm]{polygon.eps}

Hinweis: Ein konvexes Polygon ist ein Vieleck, in dem alle Innenwinkel kleiner als 180o sind.


Lösung:


\includegraphics[width=5cm]{polygonloes.eps}

Um die Fläche des Rahmens abzuschätzen, werden zuerst die Senkrechten zu den Polygonseiten durch die Eckpunkte des Polygons gezeichnet (vgl. Skizze). Dadurch wird der Rahmen in Rechtecke und kleine Eckstücke zerlegt. Die Rechtecke überschneiden sich nicht, weil das Polygon konvex ist; sie haben alle eine Breite von b und die Summe der Längen der Rechtecke ist gerade der Umfang U des Polygons, weshalb sie zusammen einen Flächeninhalt von b . U haben. Nun sind noch die kleinen Eckstücke zu betrachten. In den Rahmen lassen sich Kreisbögen mit Radius b einbeschreiben. Die Winkel der entstehenden Kreissegmente addieren sich gerade zu 360o, weshalb die Summe der Flächen der Eckstücke größer ist als eine Kreisfläche mit Radius b, d. h. größer als $ \pi$ . b2.
Die Rahmenfläche ist also größer als b . U + $ \pi$ . b2 = b(U + $ \pi$b).



Aufgabe 4


Asterix und Obelix spielen ein Spiel. Dabei werfen sie eine Münze und schreiben auf, in welcher Reihenfolge Adler (A) oder Zahl (Z) oben liegen. Jeder hat sich eine Dreierfolge ausgesucht, und das Spiel wird beendet, sobald in der (bis dahin evtl. recht langen) Folge der Ergebnisse eine der beiden Dreierfolgen auftaucht. Es gewinnt natürlich, wessen Folge erschienen ist.

a)
Man hätte zunächst denken mögen, dass keiner der beiden einen Vorteil hat, weil ja jede Dreierfolge mit gleicher Wahrscheinlichkeit einmal geworfen wird. Warum kann man dieses Argument hier eigentlich nicht anwenden?

b)
Auf dem letzten Zettel wurde errechnet, dass ZAA gegen AAZ mit 3/4 zu 1/4 und AAZ gegen AZA mit 2/3 zu 1/3 gewinnt. Gewinnt deswegen dann auch im Mittel ZAA gegen AZA?


Lösung:

Zu a): Das Argument ist deswegen nicht anwendbar, weil die Bedingungen, unter denen mit dem Werfen der Münze aufgehört wird, mit dem Auftreten der Tripel zusammenhängen. Würden immer gleich lange Ketten geworfen werden (oder auch mit einer jedesmal von den Würfen unabhängig per Zufall bestimmten Länge) und dann gezählt, wie oft welche Kombination gekommen ist, hätte keiner einen Vorteil. Bei diesem Spiel ist es aber von Bedeutung, dass es z. B. bei der Paarung AAZ gegen ZAA sehr wahrscheinlich ist, dass vor dem Auftreten eines Tripels AAZ ein Tripel ZAA kam. Die einzige Ausnahme (und damit einzige Chance für Asterix) ist der Fall, dass gleich zu Anfang mindestens zwei A geworfen werden.
,,Ja, aber, ... heißt das dann nicht, dass irgendwie ZAA im Mittel früher geworfen wird als AAZ¿` Das stünde in der Tat im Widerspruch zu der Tatsache, dass ohne wurfabhängige Abbruchbedingung alle Tripel gleich oft vorkommen. Aber die vermeintliche Folgerung ist auch direkter zu entkräften: Zwar kommen nach Werfen des ersten Z die Tripel ZAA und AAZ immer paarweise vor, wobei ZAA vorangeht. Aber es kann ja gleich zu Anfang A...AZ geworfen worden sein. Dann kommt immer AAZ zuerst. Dies geschieht zwar nur mit der Wahrscheinlichkeit 1/4. Aber wenn ein AAZ kommt, kann das nächste ZAA frühestens zwei Stellen später vorkommen, während nach einem ZAA das nächste AAZ direkt folgen kann (und sozusagen ,, zwingend``, nämlich nach Ende der A-Kette erscheint). Dadurch wird der scheinbare Vorteil von ZAA wieder ausgeglichen.


Zu b): So einfach kann man leider auch nicht schließen. (Der Mathematiker sagt: Die Relation ,,siegt gegen`` ist nicht transitiv.) In der Tat sind ZAA und AZA gegeneinander gleichwertig:
Sei xA die Gewinnwahrscheinlichkeit für AZA in dem Fall, dass als Erstes ein A geworfen wurde; xZ diejenige für den Fall, dass als Erstes ein Z geworfen wurde.
Sei zunächst ein A geworfen worden. Fällt ein weiteres A, ist das erste A für beide Spieler wertlos und die Situation so, als ob nur ein A liegen würde. Fällt stattdessen ZA, so hat AZA gewonnen. Fällt ZZ, so ist die Situation so, als ob nur ein Z geworfen worden wäre. Also gilt:

xA = 1/2xA + 1/4 + 1/4xZ.

Ist am Anfang ein Z gefallen, ist Folgendes zu unterscheiden: Fällt AA, gewinnt ZAA. Fällt AZA, gewinnt offensichtlich AZA; fällt AZZ, ist die Situation wie bei nur einem geworfenen Z, ebenso bei einem weiteren Z. Das ergibt
xZ = 1/4 . 0 + 1/8 + 1/8xZ + 1/2xZ  
$\displaystyle \Leftrightarrow$ xZ = 1/3.  

Weiterhin folgt daraus
xA = 2 . (1/4 + 1/4 . 1/3) = 2/3    und  
x = 1/2xA + 1/2xZ = 1/2  

für die Wahrscheinlichkeit, dass AZA gewinnt. Mithin gewinnt ZAA mit der gleichen Wahrscheinlichkeit.


Bemerkung: Das Phänomen der Intransitivität ist übrigens weniger verwunderlich, als es auf den ersten Blick erscheinen mag: Wenn im Sport meistens A gegen B und B gegen C gewinnt, heißt das ja noch nicht, daß meistens auch A gegen C gewinnt. Die Taktik von A kann ja so sein, daß sie C nicht beeindruckt. Ein konkretes Beispiel nannte ein Teilnehmer: Beim Spiel ,,Schere, Stein, Papier`` wird ,,im Kreis`` gewonnen.

Auch beim Spiel von Asterix und Obelix gibt es so eine Folge (übrigens nur genau diese eine): Es gewinnen

  • ZAA gegen AAZ mit 3/4 zu 1/4,
  • AAZ gegen AZZ mit 2/3 zu 1/3,
  • AZZ gegen ZZA mit 3/4 zu 1/4,
  • ZZA gegen ZAA mit 2/3 zu 1/3.


Das Spiel bietet noch weiteren Stoff für interessante Entdeckungen. Wenn acht Leute mit allen acht verschiedenen Tripeln mitspielen, ist es wieder ein faires Spiel, denn es wird jedesmal nach drei Würfen geendet. Was passiert jedoch ,,auf dem Weg dahin``, d. h. wenn man nach und nach die Spieleranzahl erhöht? Müssen sich die Verhältnisse immer weiter angleichen? Das ist nicht der Fall. Ein Beispiel: ZAZ gewinnt gegen AAA mit 4/7 zu 3/7. Wenn nun zu dritt mit ZAA gespielt wird (das gegen ZAZ neutral spielt und gegen AAA mit 7/8 zu 1/8 gewinnt), so ist das Gewinnverhältnis: ZAZ : AAA : ZAA = 7/16 : 1/8 : 7/16. Im direkten Vergleich zwischen ZAZ und AAA steht es jetzt also haushohe 7/16 zu 2/16 !



Fußnoten

... M"oglichkeiten1
Allgemein geben die sogenannten Binomialkoeffizienten $\left({n}\atop{k}\right)=\frac{n\cdot (n-1)\cdot\ldots
\cdot (n-k+1)}{k\cdot (k-1)\cdot \ldots\cdot 1}$ gerade die Anzahl der Möglichkeiten, k Elemente aus einer n-elementigen Menge auszuwählen, an. Siehe dazu auch die Erklärungen auf dem Aufgabenblatt 9 zur ,, Zwergenaufgabe``.

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